Mehr Raum für die Menschen

Die gesperrte L389 sorgte zeitweise für mehr Lebensqualität in Wilkenburg

Ungewohnte Ruhe, viele Radfahrer*innen und Spaziergänger*innen, entspannte Gespräche unter Nachbar*innen, spielende Kinder: All das findet aktuell am Rande der gesperrten L389 und insgesamt vermehrt in Wilkenburg statt. Die Fahrbahn zwischen der Pferdeampel und der Wilkenburger Spinne wurde monatelang, seit August dieses Jahres, saniert. Am kommenden Freitag, den 17. Dezember, wird die Straße wiedereröffnet und den Autos zurückgegeben. Dann werden täglich wieder rund 6.000 PKW und LKW den kleinen Ortsteil Hemmingens mit lärmenden Motorengeräuschen und hoher Geschwindigkeit durchqueren.

Das Leben in Wilkenburg hat sich insgesamt zum Positiven verändert

Die letzten Monate haben gezeigt, wie ein Ort sich verändern und aufleben kann, wenn weniger Autos fahren und die Menschen in den Mittelpunkt rücken. Sicher hat diese Verbindung auch einigen Autofahrenden gefehlt, weil sie den Umweg über Arnum in Kauf nehmen mussten. Zudem wurden durch die Sperrung zeitweise andere Ortsteile stärker mit Verkehr belastet. Auf der Weetzener Landstraße staute es sich zu den Stoßzeiten regelmäßig. Aber darin waren sich trotzdem sehr viele einig: Diese Zeit der Entschleunigung in Wilkenburg wurde insgesamt als positiv empfunden.

An der Baustelle kamen die Hemminger Grünen mit Bürger*innen ins Gespräch. „Ich konnte meinen Sohn ohne Sorge allein zum Bäcker gehen lassen“, erzählt eine Anwohnerin. „Das konnte ich vor der Straßensperrung nicht, weil ich zu viel Sorge um seine Sicherheit hatte. Die Autos rasen hier oft mit über 60 km/h durch den Ort.“ Ein anderer Wilkenburger sagt: „Schade, dass die Straße bald wiedereröffnet wird. Es ist ein ganz anderes Lebensgefühl entstanden.“ Er entwirft ein Gedankenspiel: „Wie es wohl wäre, wenn solche Fahrbahnen als Fahrradstraßen genutzt werden würden.“ „So weit ist Hemmingen leider noch nicht“, entgegnet die Anwohnerin mit einem bedauernden Lächeln.

Immerhin: Der Fußweg auf der neuen Strecke wurde ebenfalls erneuert und durch einen Trennstreifen erweitert. Zuvor gab es keinerlei „Puffer“ zwischen Fahrbahn und Fußweg. Fahrradfahrer*innen dürfen diesen Weg auch nutzen, ein ausgewiesener Radweg aber ist es nicht. Dann hätte der Weg den aktuellen Richtlinien entsprechend noch breiter werden müssen.

Das Ziel muss Tempo 30 innerorts sein – nicht nur für Wilkenburg, sondern für ganz Hemmingen

Es wäre ein großer Schritt nach vorn, wenn auf der L389 innerorts zumindest Tempo 30 gelten würde. Dafür hatte sich eine Bürgerinitiative im vergangenen Jahr entschieden eingesetzt und bis heute rund 400 Unterschriften gesammelt. – Bisher leider ohne Erfolg. Und das obwohl alle Beteiligten der Stadt, der Region und der Landesverkehrsbehörde die Temporeduzierung eigentlich begrüßt hätten. Doch das aktuelle Straßenverkehrsgesetz lässt Tempo 30 auf Landesstraßen nur zu, wenn Bedingungen wie Unfalldichte, Kindergarten- oder Seniorenheimzugang direkt an der Strecke (vor)liegen. Die Entscheidungsmacht über die Straße liegt also in den Händen des Landes. Und im Niedersächsischen Ministerium wurde die Verkehrswende durch die CDU und längst überholte Gesetze des Bundes bisher blockiert. „Diese Gesetze müssen dringend geändert und an die heutige Zeit angepasst werden. Spätestens bei der Landtagswahl im nächsten Jahr könnten hier durch eine neue Regierung wichtige Weichen gestellt werden“, so Lea Römer, Vorstandsmitglied der Hemminger Grünen.

„Wir brauchen politische Entscheidungen, die die Menschen, ihre Sicherheit und Lebensqualität ins Zentrum stellen und nicht das Auto bzw. eine veraltete Vorstellung von Verkehrsführung. Im kommenden Jahr soll die L389 in Richtung Arnum weiter saniert werden. Hier müssen die Belange von Anwohner*innen, Radfahrer*innen und Fußgänger*innen mindestens gleichberechtigt zu denen der Autofahrer*innen berücksichtig werden“, so Lea Römer weiter. „Die L389 in Wilkenburg ist eines von vielen Beispielen, das zeigt, dass wir noch viel tun müssen, um die Verkehrswende und den Klimaschutz zielführend voranzutreiben. Es braucht ein Umdenken: Die Nutzung des Fahrrads und der Öffentlichen Verkehrsmittel muss attraktiver und das Autoaufkommen insgesamt reduziert werden. Dafür werden wir uns weiter stark einsetzen!“